Lehren aus der Corona – Krise Als Volksvertreter und Bildungspolitiker

Das wäre ja noch schöner, wenn wir als Volksvertreter aus der weltweit größten Herausforderung, die es seit Jahrzehnten gibt, nichts lernen würden. Wir erwarten ja auch von allen anderen  Menschen in der ganzen Welt, dass sie etwas lernen und ihr Leben mit unmittelbarem Blick auf die Pandemie, aber auch darüber hinaus für die nächsten Jahre umstellen und neu begreifen. Wir dürfen nie vergessen, dass die Weltüberhitzung, der dramatische Artenverlust, die demographische Entwicklung, Hunger, Armut, Ungerechtigkeit, die Gefährdung von Frieden, Freiheit und Demokratie nicht verschwunden sind, weil die Pandemie uns in Atem hält. Ganz im Gegenteil –  diese globale Herausforderung ist mit den anderen Herausforderungen durchaus sehr direkt verbunden.

Das ist denn auch eine erste Lehre aus der Corona – Krise:

Wir müssen größer, langfristiger, verknüpfter politisch denken und mutiger werden in unseren Zukunftsplänen und noch intensiver, realistischer und zuversichtlicher aufklären über das, was notwendig ist und dafür werben. Knapp gefasst: Noch politischer werden. Und bürgernäher. Auch unter Corona – Bedingungen, was heißt Kleine Netze knüpfen – Zoom – Konferenzen, Telefonarbeit, Bürgerbriefe und ganz viele direkte Betroffenen – Gespräche. 

Und das ist die zweite große Lehre:

Politik war über viele Jahre vor allen Dingen durch unterschiedliche Werteorientierungen und Interessenlagen bestimmt, die sich in Parteien organisiert haben und über deren Durchsetzungskraft in demokratischen Wahlen mit entschieden wird. Was wir schon in der Auseinandersetzung um die Atomenergie und die Überhitzung der Welt lernen mussten, hat Corona noch einmal und erst recht für die politisch Verantwortlichen und die breite Öffentlichkeit deutlich gemacht: Ohne die Erkenntnisse von Wissenschaft und Forschung geht es nicht. Alle müssen sich mit Fakten auseinandersetzen und offen sein für wissenschaftsgeleitete Erkenntnis. Das heißt also Verstehen statt Meinen, bisheriges Denken in Frage stellen statt Glauben, politisch – demokratische Wege suchen und finden statt sich mit dem bloßen Vorzeigen von „Haltung“ oder Verkünden von Wahrheiten zufrieden zu geben. Auch das habe ich in der Corona – Zeit noch einmal gelernt: Es gilt das Primat der Demokratie.

Und was war und ist jetzt mit der Facharbeit in Bildung, Wissenschaft und Forschung? Dazu fünf Feststellungen und fünf Lernergebnisse:

  • Zur Digitalisierung an den Schulen: Die Erhöhung der Bundesmittel für die Digitalisierung an den Schulen auf 5 Milliarden im Digitalpakt 2019 bis 2024 und die Sofortprogramme von je 500 Millionen Euro für a) die Endgeräte in Schülerhand, b) die Mitfinanzierung der Administratoren der Digitalisierung in den Schulen bei den Kommunen und c) die geplante Lehrerausstattung waren überfällig. Sie sind eine Hilfe in der Corona – Krise und vor allen Dingen darüber hinaus. Für Schleswig – Holstein bedeutet das 170 Millionen beim Digitalpakt und je 17 Millionen bei den drei Zusatzprogrammen. Das ist schon eine ordentliche Unterstützung, die Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans und Olaf Scholz  und wir SPD-Bundestagsabgeordneten da mobilisieren. Jetzt müssen alle mitziehen! Die Schulen und Kommunen als Schulträger müssen Konzepte entwickeln und die Mittel abrufen. Das Land muss die Lehrerfort- und Weiterbildung endlich mit Priorität organisieren. Und wir brauchen insgesamt tragfähige Konzepte für eine moderne Ganztagsschule mit Zeit für Bildung und Begegnung und Unterstützung durch digital erweiterte Lernwelten.

Mein Lernergebnis: Jetzt keine Pause machen. Konzentriert Konzepte entwickeln. Dauerhafte Finanzierung sicherstellen. Und vor allen Dingen keine Kinder und Jugendlichen abhängen. Corona darf die Bildungsschere nicht weiter auseinandertreiben und Bildungsarmut verstärken. Da müssen wir auch gemachte Fehler korrigieren. Z.B. bei der ungerechten Verteilung der Mittel für die Schülerendgeräte.

  • Zum Aufbau bei den Ganztagsschulen: Auch beim Ganztag für die Grundschulen hat der Bund auf die bisher eingeplanten Mittel von 2 Milliarden noch 1,5 Milliarden oben drauf gelegt. 700 Mio. stehen davon sofort zur Verfügung. Für unser Land sind das 25,5 Mio. Euro, womit der Bund bis zu 70 % der förderfähigen Kosten übernimmt. Die Programmfristen für diese erste Rate sind jetzt so verlängert worden, dass die Vorhaben bis zum 30.6. 2021 begonnen und bis zum 31.12. 2021 verausgabt und bis zum 31.12.2022 vollständig abgerechnet werden müssen.  Was ein besonderer Ansporn sein muss: Wenn das Land und die Kommunen jetzt schnell in    die Hufe kommen, sollen die Mittel für Investitionen, die von den Ländern in den Jahren 2020 und 2021 abgerufen werden, in den späteren Jahren des Programms entsprechend verstärkt werden.

Mein Lernergebnis: Schulen und Schulträger brauchen zur Planung und zum Bau einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf. Das haben wir gegenüber ersten Planungen verlängert. Und für den Rechtsanspruch ab 2025 brauchen wir noch viel zusätzliches Personal. Das muss jetzt zügig ausgebildet werden. Daran hapert es aber noch. Auch die dauerhafte Finanzierung muss noch geklärt werden. Denn der gute Ganztag ist eine echte Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen.

  • Zur Förderung bei der Beruflichen Ausbildung: Die Corona – Pandemie hat bei den Ausbildungsverhältnissen eine deutliche Delle auch in Schleswig – Holstein bewirkt. Daraus darf kein langfristiger Einbruch werden. Bis Ende September waren immerhin noch 2000 Plätze unbesetzt, zugleich waren von 17 000 Bewerbern noch fast 2000 unversorgt. Das ist bei den Bewerbern ein Minus von 10 Prozent und bei den unbesetzten Plätzen von 14 %. Der Bund hat mit einem Förderprogramm geholfen. Ein Betrieb mit bis zu 249 Beschäftigten bekommt 2000 Euro je Ausbildungsvertrag, wenn er einen Monat Kurzarbeit oder einen 60 % Umsatzeinbruch im April hatte und sein Ausbildungsniveau zum Vorjahr nicht verringert hat. Hat er es erhöht, gibt es sogar 3000 Euro. Insgesamt wurden 842 Anträge auf Förderung in SH gestellt. 45 % davon sind bereits bewilligt. 500 Millionen vom Bund stehen insgesamt für Deutschland bereit.

Mein Lernergebnis: Die berufliche Ausbildung muss massiv beworben werden, vor allen Dingen in den Betrieben selbst, denn ohne Ausbildung kein Nachwuchs. Aber auch bei den jungen Menschen und den Familien. Dazu müssen die positiven Berufsaussichten herausgestellt werden und die Einkommens- und Aufstiegsaussichten noch weiter verbessert werden. Und für die Ausbildung Suchenden brauchen wir eine echte Ausbildungsgarantie. So wie in Österreich. Mit einer Berufsqualifizierung an den Berufsschulen als Einstieg.

  • Zu den Hochschulen: Hier ist das Bild geteilt. Nach dem milliardenschweren Hochschulpakt startet ab 1. Januar 2021 der Zukunftsvertrag Studium und Lehre genauso wie bald die Stiftung Innovative Hochschullehre ihre Arbeit aufnehmen wird. Extra –Mittel des Bundes für die Digitalisierung an den Hochschulen waren allerdings gegen die CDU/CSU nicht durchzusetzen. Da haben sich die Hochschulen schon selbst sehr stark und anerkennenswert geholfen. Und auch für die Studierenden war die Unterstützung in Corona- Zeiten nicht gut genug. Zwar hat es Erleichterungen in Bezug auf die Corona-bedingten Ausfallzeiten beim BAföG gegeben und auch das Engagement in systemrelevanten Berufen in der Corona – Hilfe ist für BAföG – Berechtigte erleichtert worden. Aber die Nothilfe für Studierenden wegen Corona war sehr kompliziert und schmal ausgestattet. Die SPD – Idee zu einem Notfall – BAföG und die Integration der Nothilfen in das BAföG wurden von der CDU – Ministerin abgeblockt.

Mein Lernergebnis: Die Bedarfe und Forderungen müssen präziser herausgearbeitet und belegt werden. Das Leitbild muss dabei klar sein: Eine Campus – Hochschule kombiniert mit neuen Lernformen. Dafür braucht es einen gemeinsamen Ausbauplan zur Modernisierung der Hochschulen. Und es braucht eine stärker mobilisierte Studierendenschaft. Dass Die CDU/CSU mit ihrem restriktiven Unterstützungsprogramm für die Studierenden so durchgekommen ist, wundert mich.

  • Zur Weiterbildung: Das Wichtigste ist sicherlich, dass während der Corona – Krise die Verbindung von Arbeitslosigkeit bzw. Weiterbildung noch viel stärker in den Mittelpunkt gerückt werden konnte, als es schon vorher unter der SPD – Ägide in der Arbeits – und Sozialpolitik erfolgreich betrieben worden ist. Dafür gibt es nicht nur gesetzliche Verpflichtungen in den Gesetzen zur Kurzarbeit, sondern auch die beruflichen Weiterbildungseinrichtungen sind in die Rettungsschirme aktiv einbezogen worden. Denn sie werden hierfür gebraucht. Für die allgemeine Weiterbildung hat es gezielte Förderung vorrangig über die Länder, aber auch vom Bund gegeben. Der erleichterte Zugang für die freiberuflichen Lehrkräfte in der Weiterbildung in die Grundsicherung soll jetzt durch eine zusätzliche Unterstützung für die nächsten sechs Monate noch erweitert werden. Das ist eine wichtige Maßnahme zum Erhalt der Dozentenstruktur auch im Bereich der allgemeinen Weiterbildung

Mein Lernergebnis: Weiterbildung wird gebraucht, denn sie kann aus der Krise herausführen und ist eine echte menschliche Zukunftsinvestition. Die berufliche und die allgemeine Weiterbildung gehören hierbei zusammen. Da gibt es häufig noch eine sehr komplizierte Bund – Länder – Konkurrenz, die besser zu einer Bund – Länder – Zusammenarbeit führen sollte. Die soziale Absicherung für die freiberuflichen Lehrkräfte muss gerade der SPD zu einem dringlichen Anliegen werden.

Ernst Dieter Rossmann