Mit „Wumms“ aus der Krise: Die „November“- und Überbrückungshilfen

Wie zu befürchten war, hält uns die Corona-Pandemie in ganz Europa – und natürlich auch bei uns in Deutschland – seit Herbst mit explodierenden Infektionszahlen deutlich stärker in Atem als es viele noch im Sommer gehofft hatten. Viele Einschränkungen, die in der warmen Jahreszeit gelockert werden konnten, mussten in vielen betroffenen Regionen schon frühzeitig zurückgenommen werden und am 28. Oktober schließlich verkündeten die Bundeskanzlerin und 16 Ministerpräsidenten aufgrund der drastischen Zunahme zunächst für die vier Novemberwochen erneut einen „Lock-Down Light“

Foto: Benno Kraehahn

Mit diesem Beschluss kündigte SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz am 29. Oktober gemeinsam mit seinem Kollegen für Wirtschaft Peter Altmaier gleichzeitig außerordentliche Wirtschaftshilfen des Bundes in Höhe von 10 Mrd. Euro für Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen an, deren Betrieb aufgrund des „Lockdowns Light“ massiv betroffen sind. Diese „Novemberhilfe“ wird in Form einer einmaligen Kostenpauschale ausgezahlt, wobei antragsberechtigt alle (auch öffentlichen) Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen sind, die auf der Grundlage dieses Beschlusses von Schließungsverordnungen der Ländern als direkt betroffen zu bewerten sind – alle Beherbergungsbetriebe und Veranstaltungsstätten gehören pauschal dazu. Außerdem antragsberechtigt sind solche Unternehmen und Betriebe (auch Solo-Selbstständige), die nachweislich und regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den o.g. Maßnahmen betroffenen Unternehmen erzielen (indirekt betroffene Unternehmen). Mit der Novemberhilfe werden Zuschüsse pro Woche der Schließungen in Höhe von 75 Prozent des durchschnittlichen wöchentlichen Umsatzes vom November 2019 gewährt, während anderweitige staatliche Leistungen (wie z. B. die Überbrückungshilfe oder das Kurzarbeitergeld) natürlich gegengerechnet werden. Reine Liquiditätshilfen (wie zum Beispiel rückzahlbare KfW-Kredite) werden aber nicht angerechnet.

Restaurants, die schließen müssen, aber stattdessen einen Außer-Haus-Verkauf-Service anbieten, sollen für diese für die Kunden schöne Initiative nicht „bestraft“ werden: Nicht nur für sie gilt eine Sonderregelung, die ihnen einen 25-prozentigen „Zuverdienst“ zur Novemberhilfe erlaubt, ohne dass es zu Abschlägen kommt.

Soloselbstständige, die z.B. in der Veranstaltungsbranche häufig über das Jahr verteilt sehr stark schwankende Einkommen haben, können als Vergleichsumsatz alternativ den durchschnittlichen Wochenumsatz im Jahre 2019 zugrunde legen. Wer erst NACH dem 31. Oktober 2019 seine Geschäftstätigkeit aufgenommen hat, darf als Vergleichsumsatz den durchschnittlichen Wochenumsatz vom Oktober 2020 oder den seit seiner Gründung wählen.

Viele Unternehmen und Soloselbstständige gerade aus der Veranstaltungsbranche waren seit März auch den ganzen Sommer über mit ihrem Geschäftsbetrieb aufgrund der Corona-Krise fast total – aber mindestens überwiegend – ohne Aufträge und Beschäftigung; dazu gehören nicht nur Künstlerinnen und Künstler, sondern insbesondere Unternehmen der Veranstaltungslogistik, des Catering und der Veranstaltung von Messen unter anderem aufgrund des Verbots von (Groß-)Veranstaltungen. Sie alle haben sich in der „Alarmstufe Rot“ zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen, um auf ihre verzweifelte wirtschaftliche Lage öffentlich aufmerksam zu machen, und fanden insbesondere bei mir persönlich, bei Olaf Scholz und damit beim Bundesfinanzministerium Gehör. Nach einem 1. Entwurf der „Novemberhilfen“ aus dem Bundeswirtschaftsministerium schlugen sie am 10. November öffentlich Alarm – 88 Prozent ihrer Betriebe und Beschäftigten seien nach dem Vorschlag von Wirtschaftsminister Peter Altmaier NICHT bei den Novemberhilfen berücksichtigt. Daraufhin verhandelten wir als Finanzministerium die Hilfen nach. Seit dem 13. November steht jetzt fest: Die Veranstaltungsbranche ist jetzt voll in dem Paket der Novemberhilfen enthalten, wodurch sich die Summe für die vier Wochen des „Lockdown Light“ jetzt allerdings auch nach neusten Berechnungen auf ca. 14 Mrd. Euro drastisch erhöht hat.

Die Antragstellung erfolgt (wie bei den Überbrückungshilfen seit Juni 2020) elektronisch durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer über die zentrale Überbrückungshilfe-Plattform des Bundeswirtschaftsministeriums (https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de). Nachdem es bei den (sehr unbürokratischen!) Corona-Soforthilfen im Frühjahr leider bundesweit zu (teils kriminellem) Missbrauch gekommen war, soll diese Antragsform über Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nun Seriosität garantieren. Nur Soloselbständige dürfen bis zu einem Förderhöchstsatz von 5.000 Euro direkt (über ELSTER und ihre Steueridentifizierungsnummer) Förderanträge stellen, um ihnen zügig und verlässlich helfen zu können. Laut Wirtschaftsminister Altmaier soll diese Plattform ab 25. November funktionsfähig sein und auch im ersten Schritt zügige Abschlagszahlungen von bis zu 5.000 bzw. 10.000 Euro ermöglichen. Das ist eine gute Nachricht für die von den Maßnahmen im November betroffenen Soloselbstständigen und Unternehmen und ihre Beschäftigten.

Am Freitag, den 13. November 2020, wurden nun auch die Verhandlungen zwischen Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier für die Überbrückungshilfe III abgeschlossen, die eine Laufzeit von Januar bis Juni 2021 haben wird und sich nahtlos an die Überbrückungshilfe II anschließt, die von September bis Dezember 2020 gilt. Diese wird aber keineswegs nur verlängert, sondern auch ausgeweitet: Es wird die sogenannte „Neustarthilfe für Soloselbständige“ geben, womit der besonderen Situation von Soloselbständigen – insbesondere von Kulturschaffenden und ihren Crews –endlich verlässlich Rechnung getragen wird. Zu den zu berücksichtigenden Kosten soll für diese Gruppe künftig eine einmalige Betriebskostenpauschale von 25 Prozent des Umsatzes im Vergleichszeitraum des Vorjahres zählen und bei einmalig (!) bis zu 5.000 Euro für den Zeitraum bis Juni 2021 gedeckelt sein. Die Neustarthilfe ist aufgrund ihrer Zweckbindung nicht auf Leistungen der Grundsicherung anzurechnen. Es handelt sich um einen unbürokratischen und schnellen Zuschuss, der – wenn die Antragsvoraussetzungen vorliegen – nicht zurückzuzahlen ist. Die Neustarthilfe soll als Vorschuss ausgezahlt werden, auch wenn die konkreten Umsatzeinbußen während der Laufzeit Dezember 2020 bis Juni 2021 bei Antragstellung noch nicht feststehen. Sollte der Umsatz während der Laufzeit anders als zunächst erwartet bei über 50 Prozent des siebenmonatigen Referenzumsatzes liegen, sind die Vorschusszahlungen anteilig zurückzuzahlen. Die Überbrückungshilfe III, die die Neustarthilfe enthalten wird, soll ab dem 1. Januar 2021 gelten. Aufgrund der nötigen technischen Programmierungen und der Abstimmungen mit den Ländern und der EU-Kommission können die Anträge leider erst einige Wochen nach Programmstart im neuen Jahr gestellt werden und gelten dann auch rückwirkend. Die Details zur Antragstellung werden vermutlich in den nächsten Wochen feststehen.

Ein Rückblick: Um die Existenz von Unternehmen und Soloselbstständigen zu sichern, enthielt das Konjunkturprogramm Überbrückungshilfen (I) in Höhe von 25 Milliarden Euro. Damit erhielten betroffene Unternehmen in den Monaten Juni bis August weiter Unterstützung bei der Finanzierung laufender Betriebskosten. Das Überbrückungshilfeprogramm schloss damit zeitlich an das Corona-Soforthilfeprogramm der Bundesregierung an. Bei Überschneidung der Förderzeiträume von Soforthilfe und Überbrückungshilfe erfolgte eine anteilige Anrechnung der Soforthilfe auf die Überbrückungshilfe. Inzwischen wurde das Programm bis zum Jahresende für die Fördermonate September bis Dezember 2020 als Überbrückungshilfe II verlängert, verbessert und flexibilisiert: Es bleibt dabei, dass die Überbrückungshilfe für Unternehmen aus allen Branchen offensteht, die durch die Corona-Krise besonders betroffen sind. Um besonders die Unternehmen noch besser zu erreichen, bei denen das Geschäft durch behördliche Einschränkungen oder Hygiene- und Abstandsregeln immer noch stark beeinträchtigt ist, wurden folgende Änderungen am Programm vorgenommen:

  1. Flexibilisierung der Eintrittsschwelle: Zur Antragstellung berechtigt sind Unternehmen, die entweder einen Umsatzeinbruch von mindestens 50 Prozent in zwei zusammenhängenden Monaten im Zeitraum April bis August 2020 gegenüber den jeweiligen Vorjahresmonaten oder einen Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent im Durchschnitt in den Monaten April bis August 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzeichnet haben.
  2. Ersatzlose Streichung der Deckelungsbeträge für kleine- und mittlere Unternehmen von 9.000 Euro bzw. 15.000 Euro.
  3. Erhöhung der Fördersätze: Erstattet werden 90 Prozent der Fixkosten bei mehr als 70 Prozent Umsatzeinbruch (vorher 80 Prozent der Fixkosten), 60 Prozent der Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch zwischen 50 Prozent und 70 Prozent (vorher 50 Prozent der Fixkosten) und 40 Prozent der Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch von mehr als 30 Prozent (vorher bei mehr als 40 Prozent Umsatzeinbruch).
  4. Die Personalkostenpauschale von 10 Prozent der förderfähigen Kosten wird auf 20 Prozent erhöht.
  5. Bei der Schlussabrechnung sind Nachzahlungen nun ebenso möglich wie Rückforderungen.

Anträge für diesen Zeitraum können weiter gestellt werden. Die Antragsfrist endet am 31. Dezember 2020.

Bettina Hagedorn